Arbeiten um zu leben, leben um zu arbeiten

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Es ist wirklich kein Geheimnis, dass in Spanien die Uhren anders ticken als im restlichen Europa, was für uns, die wir hier leben, gleichermaßen ein Grund für Freud und Leid ist. Natürlich ist es schön, viel Nachtleben zu haben, aber morgens steht man in Spanien auch nicht später auf als die übrigen Europäer. Das sorgt für ein echtes Dilemma, denn in Spanien ist der Tagesablauf im Vergleich zum Alltag des Durchschnittseuropäers um rund 2 Stunden nach hinten verschoben (Mittag- und Abendessen, Schlafengehen), doch gleichzeitig sieht man sich auch irgendwie gezwungen, gewisse „europäische Zeiten“ einzuhalten, sei es aus Rücksicht auf Touristen oder aufgrund von Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland. Was ich damit meine? Wenn man Kunden oder Geschäftspartner in Deutschland hat, gilt es zu bedenken, dass deren Arbeitszeit meist von 8:00/9:00 bis 17:00/18:00 Uhr dauert. Zu einer späteren Uhrzeit ist es schwierig – wenn nicht gar unmöglich – sich mit deutschen Firmen, Organisationen oder Behörden in Verbindung zu setzen.

Auch viele spanischen Unternehmen und Institutionen nehmen um 8:00/9:00 Uhr morgens ihre Arbeit auf, machen 1-2 Stunden Mittagspause und schließen …?? Ja, das ist eines der Probleme. Selbstverständlich gibt es offizielle Arbeitszeiten, denen zufolge die Angestellten etwa um 18:00/19:00 Schluss machen müssten, doch in Spanien pflegt man eine gewisse „Überstunden-Tradition“, die man im restlichen Europa nur schwer nachvollziehbar ist. So gibt es spanische Firmen, in denen es quasi „verpönt“ ist, den Arbeitstag pünktlich zu beenden, da dies als Zeichen für ein geringes Engagement vonseiten der Angestellten für die Firma erachtet wird. Strikt eingehaltene Arbeitszeiten bringt man vielmehr mit Beamten in Verbindung, die von manchen beneidet und von anderen verspottet werden, deren Arbeitsmoral jedoch in jedem Fall – sagen wir es einmal vorsichtig – in der freien Marktwirtschaft nicht gerade als beispielhaft gilt. Das sage nicht etwa ich – das höre und sehe ich immer wieder … In Mittel- bzw. Nordeuropa dagegen werden Überstunden als notgedrungenes Übel bzw. sogar eher als Anzeichen dafür betrachtet, dass man die Arbeit nicht in der vorgesehenen Zeit verrichtet hat. Eine Folge der vielen Überstunden in Spanien ist eine gewisse Frustration angesichts des verlängerten Arbeitstags, der nicht unbedingt die Produktivität fördert, die viele Experten im Vergleich zu Ländern mit kürzeren oder besser verteilten Arbeitszeiten eher niedrig einstufen. Ein langer Arbeitstag kann auch das Gefühl verstärken, nur „zu leben um zu arbeiten“, und damit eine Gegenreaktion bewirken, sodass ein Großteil der berufstätigen Bevölkerung in Spanien nach Arbeitschluss nicht etwa aufs Sofa oder ins Bett fällt, sondern den restlichen Abend mit Kollegen, Familie oder Freunden verbringt. Das deutsche Wort „Feierabend“ trifft diesbezüglich den Nagel auf den Kopf, besitzt jedoch keine leider Entsprechung in der spanischen Sprache. Schon komisch, dass wir Deutschen einen Ausdruck für etwas haben, das eher ein spanischer Nationalsport scheint, oder?

Ganz gleich ob man wirklich feiert oder nicht, die Abendessenszeit oder auch die Ausstrahlungszeiten bestimmter Fernsehprogramme sorgen dafür, dass man in Spanien einfach später ins Bett geht als in Deutschland. In Deutschland gibt es die Nachrichten um 20:00 Uhr, und dann fangen die Filme und Serien meist um 20:15 Uhr an, und zwar pünktlich, was man nicht gerade von den spanischen Fernsehprogrammen behaupten kann, die für 22:00, 22:15 oder 22:30 Uhr angekündigt werden und meist 10 bis 15 Minuten später beginnen. Wer einen Film oder eine Serie zur Primetime sehen will, muss wohl oder übel mindestens bis Mitternacht ausharren, selbst wenn bereits wenige Stunden später der Wecker klingelt …

Im Ausland hält sich noch immer hartnäckig das Klischee der spanischen Siesta, demzufolge Schlafmangel in Spanien einfach mit einem täglichen Mittagsschlaf behoben wird. Das ist natürlich nur zum Teil richtig, denn trotz ihres Rufes wird die Siesta meist nur im Sommer abgehalten, wenn die Arbeit in den heißen Mittagsstunden schwer fällt oder gar völlig unmöglich ist. Da die Touristen aber gerade im Sommer heranströmen und bei Geschäften und Institutionen zwischen – sagen wir mal – 14:00 und 17:00 Uhr vor verschlossenen Türen stehen, führen sie dies dann natürlich auf die berühmt-berüchtigte spanische Siesta zurück und gehen davon aus, sie sei ganzjährig üblich.

Dabei holt man hierzulande den verpassten Schlaf höchstens am Wochenende nach – wenn überhaupt, denn meist wird das Wochenende mit Hausarbeit und Freizeitstress vollgestopft. Ich lebe nun schon seit über zehn Jahren in Spanien, doch mich beeindruckt noch immer, welch hohen Stellenwert die (spärliche) Freizeit für die Spanier hat und wie sie den Schlaf als Zeitverschwendung gering schätzen. Alles übertrieben, meint, ihr? Wie lauten denn eure Erfahrungen mit Arbeit, Freizeit und Schlaf?

PS: Am Wochenende „klaut“ man uns allen in Europa übrigens eine Stunde, also eine Stunde weniger Fiesta in Spanien bzw. weniger Schlaf im übrigen Europa … 😉

8 KOMMENTARE

  1. Fíjate que este tema me interesa mucho, y desde hace algún tiempo se vienen escuchando voces que reclaman un ajuste de nuestros horarios al resto de Europa y un cambio general de nuestra cultura laboral, peticiones que suelen caer en saco roto. Y eso que es evidente que algo falla cuando: a) Trabajamos más horas que nadie y somos los que menos rendimos b) Las puertas de los colegios están llenas de abuelos y de niñeras a las 5 de la tarde porque no hay madre ni padre trabajadora que pueda estar libre a esas horas sin reducir su jornada y su sueldo, lo cual nos lleva a c) retrasar o rechazar la posibilidad de tener hijos porque sería incompatible con nuestro horario. Ah, y se me olvidaba la d) Como sales a las tantas no tienes tiempo ni ganas de hacer actividades que te enriquezcan culturalmente como, por ejemplo, aprender otro idioma, con lo cual la gente se lanza, como mucho, a correr por el río con el Ipod para desconectar, y así seguimos siendo de los más incultos de Europa, y ganando enteros. Un verdadero desastre, vamos. Lo del sueño nunca me lo he planteado, porque no suelo acostarme tarde. Tengo la suerte de que la TV no me interesa lo más mínimo, como mucho alguna peli en la pública sin publicidad, de modo que cuando me acuesto más allá de la medianoche es porque he quedado para tomar algo, y oye, como español que soy, a veces (tampoco muchas) merece la pena llegar al trabajo con la legaña pegada a cambio de una velada agradable en buena compañía.
    Buen sabadomingo de 47 horas!! 😉

    • Gracias, Jota. Supongo que es lo de siempre: primero hay concienciarse para poder cambiar, así que me parece que las discusiones recurrentes sobre un posible cambio del horario laboral ya son un comienzo… ¡Buen finde y vivan las legañas pegadas!

  2. estoy cansada solo de leer una descripción del agotador horario español 🙂 la cosa es que, aunque intentes adaptarte a Europa, como bien dices, resulta imposible, porque el país, a tu alrededor, no te deja… y, encima, llevo fatal el cambio de horario.
    eso sí, por lo menos aquí, uno que corta y pega es “investigador”, héroe nacional, y no tiene que dimitir. he dicho.
    besos

  3. Hallo und guten Abend,
    bin gerade mal beim surfen auf diese Seite gestossen und finde das Thema äusserst brisant.
    Leben und Arbeiten in Spanien immer noch besser als in Deutschland ! Bin seit Jahren selbstständig im Bereich Hausbetreuung, Ferienvermietung, Hausreinigung, Pool- und Gartenpflege und natürlich ist die Arbeit im Sommer wegen der Hitze und Hochsaison sehr anstrengend, dennoch das Klima, das Meer, die Menschen, die spanische Mentalität entschädigen Dich für die anstrengende Arbeit. Ich kann nur jedem raten, wer fleissig und verantwortungsvoll ist, sich nicht scheut auch in der Sommerzeit mal einige Wochenenden am Stück durch zu arbeiten, wird am Ende des Tages belohnt werden, durch ein Gefühl der Leichtigkeit, des Glücklichseins und der Zufriedenheit. Ich bin glücklich und dankbar in diesem schönen Land leben und arbeiten zu dürfen, wo andere Menschen für viel Geld ihren Urlaub verbringen.
    Mark Pichler, Angmar Home

    • Danke für die Schilderung aus deiner/eurer Sichtweise! Die Selbstständigkeit ist noch einmal mit ganz anderen Möglichkeiten verbunden: Man ist zwar flexibler, muss es aber auch sein, um sich ein wenig den Kunden anzupassen. Das gesunde Mittelmaß aus Arbeit und Freizeit sollte natürlich jeder für sich selbst finden …

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